Andy Votel

Nach seinem Erfolg als Musiker ist Andy Votel heute vor allem als Kopf hinter Twisted Nerve und Finders Keepers Records bekannt. Andys Liebe zur Musik setzt sich auch in seiner Karriere als Produzent, in seiner umfangreichen Plattensammlung (7000 und kein Ende in Sicht) und in seiner Arbeit als Designer von Plattencovern fort.

Kannst du uns ein wenig über dich selbst erzählen?

Ich bin Grafikdesigner, Archivar, DJ, Autor und Radiomoderator und habe mein ganzes Leben lang Plattenlabels geleitet. In der Regel versuche ich nur, keinen Unfug zu machen. Dazu verstecke ich mich in Plattenläden und kümmere mich um meinen eigenen Kram. Der Name Andrew Votel ist ein Akronym für „Violators of the English Language“, eine Graffiti-Crew, der ich angehörte.

Dieses Akronym steht für das Zerstören der englischen Sprache. Es ist also absolut kein Zufall, dass ich später in meinem Leben begann, die Welt nach ungarischen, italienischen, südamerikanischen, persischen und türkischen Schallplatten zu durchforsten. Dafür bin ich als DJ jetzt bekannt, aber der Kern meines Namens ist sehr englisch.

Wir wissen, dass dir deine erste Begegnung mit der G9 von Baracuta besonders in Erinnerung geblieben ist. Kannst du uns die Einzelheiten dieses Moments schildern?

Ich erinnere mich sehr genau daran, wie ich Mitte der 80er-Jahre die Grundschule verließ und in die Oberschule kam. Hier kam ich zum ersten Mal mit unterschiedlichen Jugendkultur-Gruppen in Kontakt. Vorher hatte ich nie etwas davon mitbekommen und als ich in der Schule ankam, waren da Goths und Mods, Rockabillies und Metaller. Am besten ließen sich diese Gruppen am Ende des Tages im Schulbus beobachten. Zu Beginn des Jahres sah man die Mods in ihren weiten Parkas im Bus, aber mit der ersten Sonne bekam der Look einen gehobenen Touch. Ich nannte sie die „music guys“ und sie setzten sich immer nach oben. Mit ein bisschen mehr Selbstsicherheit ging auch ich in den oberen Teil des Busses, wo man die Mods in ihrer schicken und smarten Aufmachung sehen konnte. Aber man hatte immer zu viel Angst, sich umzudrehen. Ich erinnere mich, dass ich einmal dort saß und sie etwas wie The Kinks oder vielleicht Stevie Wonder spielten. Oben im Bus hatten sie immer ein Radio und einmal ließen sie Mary Mary von The Monkees laufen. Ich sagte zu einem Freund: „Ich hasse The Monkees“. Als nächstes kam dann dieses Mädchen auf mich zu und meinte: „Wenn du etwas über die Mods zu sagen hast, musst du es ihnen ins Gesicht sagen.“ Ich drehte mich um und sah sie in dieser Jacke. So eine Jacke hatte ich die Mods noch nie tragen sehen. Es war eine Baracuta Harrington Jacke und für mich sozusagen Liebe auf den ersten Blick.

Ein paar Jahre später holten sie sich Roller und verschwanden. Zu dieser Zeit änderte sich auch die Jugendkultur, jeder stand auf Acid House und auf Musik aus Manchester. Diesen Look sah man nicht mehr so häufig, aber er hatte sich mit dem Mädchen in der Harrington Jacke bei mir eingebrannt.

Das heißt, dass zwischen der Jacke und der Musikindustrie eine besondere Verbindung bestand?

Ich habe sie jahrelang nicht wiedergesehen, bis ich alt genug war, um in Plattenläden zu gehen, als ich 14 oder 15 war, mitten in Manchester. Die Leute kauften damals Northern Soul Platten. Ich traf dann erneut auf die Harrington Jacke und konnte nicht glauben, was ich da sah. Aber ich wusste damals, dass es sich um eine Art Code handelte. Diese erstaunliche Synchronizität zwischen der Musik und der Harrington Jacke besteht seit jeher. Und genau diese Synchronizität hat mich irgendwie umgehauen.

Das Schöne an den Harrington Jacken ist, dass sie bei vielen Leuten zum Standard-Outfit eines Plattenliebhabers gehören. Wenn du eine Harrington Jacke sehen willst, reicht es, auf eine Plattenmesse in Europa zu gehen. Dort wimmelt es nur so von Mods und Soulboys in Harrington Jacken. Es ist der richtige Ort, um originale Harrington Jacken zu finden. Die Jacke ist unprätentiös, weil sie quasi eine Uniform für Musikliebhaber und Plattensammler geworden ist und sich keiner kulturellen Gruppe mehr zuordnen lässt.